Ein interessanter Artikel wurde auf der Website der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) veröffentlicht: «Sjunik: Zwischen Hoffen und Bangen – Geopolitik unter dem Brennglas»
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) ist eine politische Stiftung, die in Deutschland und im Ausland, auch in Armenien, tätig ist. Die Stiftung setzt sich für die Förderung der liberalen Demokratie und der sozialen Marktwirtschaft, des Friedens und der Freiheit ein.
Im Folgenden veröffentlichen wir Auszüge aus diesem Artikel.
Sjunik zwischen Bangen und Hoffen
Der Südkaukasus wird häufig als wirtschaftlicher und kultureller Knotenpunkt zwischen West und Ost, aber auch Nord und Süd gesehen. Dieser Zustand ist in der Region Sjunik wie unter einem Brennglas zu beobachten. „Sjunik hat eine Seele“, meint Anna zudem, und das ist spürbar. Nach Jahrzehnten von Isolation und Vergessenheit scheint die Region aus einem Dornröschenschlaf zu erwachen, wobei das Erwachen kein einfaches ist. Das hängt vor allem mit der Unsicherheit über die zukünftige Rolle Russlands zusammen, das im Südkaukasus Jahrzehnte lang jedwede Veränderung, die den Ländern und Regionen mehr Selbstständigkeit eingeräumt und seine eigene Dominanz in Frage gestellt hätte, zu verhindern suchte.
Wenn aber Russland nicht mehr die Regionalmacht ist, wer wird das entstehende Vakuum füllen? Europa scheint erkannt zu haben, dass es das Feld weder dem Iran noch der Türkei überlassen sollte. In Kapan ist man glücklich: Mit der „Team Europe“ Initiative und dem Projekt „Resilient Syunik“[3] sollen in den nächsten Jahren weitreichende Investitionen in Bildung, grüne Landwirtschaft, kleines und mittleres Unternehmertum, soziale Dienste, nachhaltigen öffentlichen Verkehr und gute Regierungsführung sowie bürgerliches Engagement getätigt werden. Neben der EU-Delegation sind auch zahlreiche EU-Mitgliedstaaten sowie die Schweiz an der Initiative beteiligt. Die Projekte kommen an, die Menschen sähen, dass Europa sich engagiert, bestätigt man uns in der Gebietsverwaltung. Darüber hinaus unterhält die EU seit Februar eine zivile Beobachtermission an der Grenze zu Aserbaidschan, mit der die Stabilität in den Grenzregionen gestärkt werden soll. Sie wird von konkreten Programmen wie EU4Dialogue flankiert, die vertrauensbildend wirken und Infrastrukturprojekte finanzieren – etwa das Einrichten von Elektrozäunen, die verhindern, dass Vieh sich aus Armenien versehentlich auf aserbaidschanisches Gebiet verirrt.
Auf die Frage, wie die gesteigerte internationale Aufmerksamkeit auf Sjunik und die latente Konkurrenz der verschiedenen Akteure vor Ort wahrgenommen würde, zitierte ein Gesprächspartner ein armenisches Sprichwort: „Wenn es an deiner Tür klopft, ist es nicht wichtig, wer klopft, sondern mit welcher Absicht er es tut.“ Nachdem die Region über Jahrzehnte nur einen Gast hatte, der lediglich an seinen eigenen Vorteil dachte, freut man sich sehr darüber, dass nun auch Europa in Sjunik anklopft.
Comments